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Ad hoc-AG Künstliche Intelligenz in der Medizin (KImed)

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Ein Europäischer Gesundheitsdatenraum verspricht bessere medizinische Versorgung durch Datenaustausch

Verbringen Sie auch zu Urlaubs- oder Arbeitszwecken Zeit im Ausland? Und kommt es dort vor, dass Sie medizinische Hilfe in Anspruch nehmen müssen? Gar nicht so einfach, wenn man nicht die Sprache spricht und mit einem Gesundheitssystem konfrontiert wird, das ganz anders funktioniert, als das heimische. Da wäre es schön, wenn man seine Gesundheitsdaten inklusive Vorerkrankungen, Allergien und Medikationen elektronisch dabeihätte. In einer Art digitaler Gesundheitsakte, die in allen Sprachen funktioniert. Dann könnten Ärztinnen und Ärzte europaweit Ihre Gesundheitsmerkmale einsehen und Sie angemessen behandeln.

Genau das streben die EU Mitgliedstaaten im Rahmen des „European Health Data Space“ (EHDS), also einem europaweiten Gesundheitsdatenraum, an. Die Vision des EHDS ist die elektronische Erfassung von Gesundheitsdaten und deren Bereitstellung zum Zweck ärztlicher Versorgung (primäre Datennutzung) und medizinischer Forschung (sekundäre Datennutzung). Immer, und nur dann, wenn Bedarf dazu besteht.

Neben den Vorteilen für die unmittelbare ärztliche Versorgung wird der EHDS auch nützlich sein, um bessere Forschung zu betreiben. Denn je mehr wir von verschiedensten Patienten über eine Krankheit wissen, desto besser können wir diese Krankheit verstehen und behandeln. Das gilt vor allem für seltene Krankheiten, die nur wenige Menschen in einem Land betreffen – dort ist der Gewinn einer länderübergreifenden Datennutzung besonders hoch. Auch wird Künstliche Intelligenz (KI) künftig aus der Medizin nicht mehr weg zu denken sein. Und für die Entwicklung zuverlässiger KI Algorithmen müssen sehr viele Daten bereitgestellt werden.

 

Diese Gesundheitsdaten müssen erst einmal erhoben, verwaltet und zur Verfügung gestellt werden, wozu der EHDS dienen soll. Der (vorläufige) rechtliche Rahmen hierfür wurde schon gefasst. Es verbleiben aber viele Herausforderungen zur praktischen Implementierung des EHDS. Um diese Herausforderungen sowie die Chancen des EHDS für Deutschland zu diskutieren, tagten am 15.12.2023 200 Forschende, Abgeordnete und weitere Akteure der Gesundheitsversorgung in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW).

Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass Deutschland es sich nicht leisten kann, auf Digitalisierung und Datenteilen im Gesundheitswesen zu verzichten. Die größte Stärke des EHDS wird in der Sekundärdatennutzung liegen, also der Nutzung von Gesundheitsdaten zur Erforschung und Entwicklung neuer Technologien für Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krankheiten.

Prof. Dirk Heckmann, der Digitalrechtler an der TUM und bayerischer Verfassungsrichter ist, ging so weit zu sagen, dass ein Widerspruch gegen diese Sekundärnutzung gegen das Allgemeinwohl handelt. Denn man würde Patienten eine bessere Versorgung vorenthalten, die technisch schon möglich ist. Dazu gehört die Anwendung von KI. Um zuverlässige KI Algorithmen zu trainieren, werden riesige Datenmengen benötigt, die so divers wie möglich sein sollten. „Nur diverse Daten sind gute Daten“ äußerte auf der Tagung die Ethikerin Ruth Horn von der Universität Augsburg. Denn nur dann kann das volle Potential von KI ausgeschöpft werden, um seltene Krankheiten und Nebenwirkungen zu erfassen und wirklich allen Patientinnen und Patienten zu helfen.

Dabei können wir einen Sinn für Datensolidarität entwickeln, um nicht nur unsere eigene Gesundheit zu verbessern, sondern auch die unserer Mitmenschen. In Finnland und Dänemark ist das schon Gang und Gebe, dort werden seit Ende der 90er Gesundheitsdaten registriert. Die beiden Länder sind europaweit führend in der Digitalisierung von Gesundheitssystemen und genießen ein hohes Maß an Vertrauen zwischen Staat und Bürgern. Kann Deutschland dieser Mentalität ein Stück näherkommen?